1980 bis 1989: Internationale Herausforderungen
Das Jahrzehnt von 1980 bis 1989 war für das Technische Hilfswerk (THW) von wegweisenden internationalen Einsätzen und tiefgreifenden strukturellen Veränderungen geprägt. Die Gründung des THW-Jugend e.V. und der Aufbau der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA) verändern das THW bis heute.

Die 80er Jahre begannen für das THW mit einer Reihe von Einsätzen in Somalia. Die Helfenden übernahmen im Auftrag des "Hohen Flüchtlingskommissars der Not von Flüchtlingen" der Vereinten Nationen vor allem die Aufbereitung von Trinkwasser vor Ort.
Am 23. November 1980 erschütterte ein Erdbeben die Region Irpinia im Süden Italiens. Mehr als 2.700 Menschen kamen dabei ums Leben, 390.000 wurden durch die Zerstörung in der Region obdachlos. Nach dem dramatischen Beben wurde aus ganz Europa Hilfe nach Italien entsandt. Auch das THW war mit 20 Fahrzeugen und 55 Helfenden für 14 Tage im Einsatz. Die THW-Kräfte aus Bayern übernahmen in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Helfenden die Bergung von Verschütteten, errichteten Behelfsunterkünfte und installierten ein provisorisches Stromversorgungsnetz, sowie Wasseraufbereitungsanlagen für die Bevölkerung vor Ort.
Gründung der THW-Bundesvereinigung e.V.
Vereine, die die ehrenamtlichen Helfenden im THW vertreten, gibt es schon seit den späten 1960er Jahren. Die Bundesvereinigung wurde am 15. Mai 1980 unter dem damaligen Namen "Vereinigung der Helfer und Förderer des Technischen Hilfswerks e.V." gegründet. Jürgen Stender aus Bayern war erster Präsident der neuen Bundesvereinigung. Die wichtigste Aufgabe der Bundesvereinigung ist die Lobbyarbeit für das THW. Die Bundesvereinigung ist darüber hinaus der Dachverband der bundesweiten lokalen Fördervereine und setzt sich aktiv für die Förderung des Ehrenamts ein.
Ausstattungsbedarf erstmals festgelegt
1983 feierte das THW 30 Jahre als Bundesanstalt.
Information
In diesem Jahr zählte das THW bundesweit 843 Bergungszüge, 257 Instandsetzungszüge, 18 ABC‑Züge, 48 Fernmeldezüge, 65 Pontongruppen, 33 Brückenbauzüge und 800 weitere spezialisierte Gruppen und Trupps. Über 55.000 Menschen engagierten sich in mehr als 600 Ortsverbänden.
Im Oktober 1980 wurde die langersehnte sogenannte Stärke- und Ausstattungsnachweisung (StAN) auf Bundesebene beschlossen. Sie legte bis ins kleinste Detail fest, wie viele Personen und welche Ausstattung in den einzelnen Einheiten des sogenannten erweiterten Katastrophenschutzes vorhanden sein sollten. Es folgte auch die Genehmigung einer eigenen THW-StAN. Im THW wird in der StAN noch heute geregelt, welche personelle und materielle Ausstattung taktische Einheiten, wie beispielsweise die Bergungsgruppen, haben. Die StAN wird regelmäßig aktualisiert, um sie an aktuelle Bedarfe im Zivil- und Katastrophenschutz anzupassen und um technische Entwicklungen berücksichtigen zu können.
Neue Rohrleitungen für Beirut

Im Oktober 1982 wurde das THW in die vom Krieg zerstörte Stadt Beirut im Libanon entsendet. Vor Ort kümmerten sich 75 Helfende in einem 27-tägigen Einsatz darum, die Wasserversorgung für die Bevölkerung der Stadt wieder sicherzustellen. Eine beschädigte Wasserleitung hatte zu einer akuten Wasserknappheit in der Stadt geführt. Die THW-Kräfte halfen unter anderem dabei kaputte Rohrleitungen zu flicken, defekte Wasserpumpen zu reparieren verlegten eine 130 Meter lange Umgehungsleitung für das Trinkwasser.
THW-Einsatz in Beirut
Video der THW-Historischen Sammlung des THW-Einsatzes in Beirut.
THW-Einsatz in Beirut
Weitere internationale Einsätze

Die internationalen Einsätze setzten sich 1984 und 1985 fort. Am 6. November 1984 begann in Äthiopien ein 30‑tägiger Einsatz zur Instandsetzung von Lastkraftwagen. Im Laufe des Jahres folgten vier weitere Teileinsätze mit jeweils 20 bis 26 Helfenden. Noch während der Einsätze in Äthiopien starteten am 18. Januar 1985 Einsätze im Sudan. Aufgabe des THW war es während der vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, veranlassten Einsätze, die Trinkwasserversorgung für Flüchtlingen sicherzustellen.
Die THW-Jugend

Bereits in den siebziger Jahren hatten viele Ortsverbände (OV) eigene Jugendgruppen gegründet. Diese waren jedoch nicht auf Bundesebene organisiert und durften keine Finanzmittel aus dem Bundeshaushalt in Anspruch nehmen. In den 1980er Jahren kam dann der Plan auf, in jedem OV eine selbstständige Jugendgruppe zu gründen. Dieses Vorhaben stieß zunächst auf Widerstand, da eine Verselbständigung der Jugendgruppen befürchtet wurde. Ein Konzept nach dem Vorbild der Feuerwehrjugend setzte sich dann schließlich durch. Vorgesehen war eine Doppelmitgliedschaft in der Jugendgruppe und dem THW sowie ein Jugendbetreuer oder eine Jugendbetreuerin, der die Gruppe betreut und fachlich leitet. 1984 wurde dann in Ahrweiler der Verein "THW-Jugend e. V." gegründet. 1985 fand in Oberschleißheim in Bayern dann das erste Bundesjugendlager statt, bei dem Kinder und Jugendliche aus den bundesweiten THW-Jugendgruppen zusammenkamen.
Erdbeben in Mexiko

Am 19. September 1985 ereignete sich das bis heute verheerendste Erdbeben in der Geschichte Mexikos. Das Epizentrum lag etwa 320 Kilometer südwestlich von Mexiko-Stadt. Durch das Beben kamen mindestens 10.000 Menschen ums Leben, über 250.000 Menschen wurden obdachlos. Zwei Tage später wurde ein gemischtes Team, bestehend aus 38 THW‑Bergungshelfern unter Federführung des THW, 13 Hundeführern mit elf Rettungshunden der Feuerwehr und des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), sowie fünf Rettungssanitätern des ASB für intensive Bergungsarbeiten nach Mexiko entsendet. Ein intensiver einwöchiger Einsatz in den Betontrümmern führte dazu, dass 27 Personen gerettet und über 100 Tote geborgen werden konnten.
Aus dem Einsatz reifte die Erkenntnis im THW auch Ortungstrupps mit entsprechender Technik und Rettungshunden vorhalten zu müssen. Solche gab es bis dahin im THW nicht offiziell. Erste Rettungshundeteams gründeten sich in den 80er Jahren im Saarland, in Hessen und in Nordrhein-Westfalen. Da sie in der StAN nicht eingeplant waren, mussten die Kosten vor allem durch Spendengelder und Helfervereine getragen werden.
Gründung der SEEBA

Die Erfahrungen aus dem Einsatz nach dem Erdbeben 1985 in Mexiko-Stadt mündeten in dem Auftrag des Bundesministeriums des Inneren an das THW, eine Schnelleinheit "Bergung" für Auslandseinsätze aufzubauen. Die Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland, kurz SEEBA, gibt es heute noch im THW und hilft seit 1986 weltweit Menschen in Notlagen. Nach Alarmierung durch das Auswärtige Amt oder das Innenministerium ist sie innerhalb von sechs Stunden bereit abzufliegen und weltweit eingesetzt zu werden. Zu den wesentlichen Aufgaben der SEEBA gehören die Ortung und Rettung verschütteter Personen, die Bergung von Toten und Sachwerten, die Beratung örtlicher Behörden, Erkundung weiterer Hilfsmöglichkeiten und Leistung technischer Hilfe durch das Wiederherstellen von Infrastruktur.
Nuklearkatastrophe

Am 26. April 1986 ereignete sich in Reaktor-Block 4 des Kernkraftwerk Tschernobyl ein katastrophaler Unfall. Eine Explosion zerstörte die Reaktorhalle und große Mengen radioaktiver Stoffe gelangten in die Umwelt. Nach dem Bekanntwerden des Umfangs der Katastrophe wurde auch das THW als Teil des erweiterten Katastrophenschutzes mit ABC-Zügen an der innerdeutschen Grenze eingesetzt. Ihre Hauptaufgabe war es ankommende Fahrzeuge zu dekontaminieren und die Strahlenbelastung zu messen.
Neue Fahrzeuge für den Katastrophenschutz

Im Mai 1986 verstärkte der Bund den Katastrophenschutz: Das THW erhielt in mehreren Bauserien insgesamt 89 vierrädrige Bergungsräumgeräte. Die leistungsstarken Radlader vom Typ Zettelmeyer 1801 machten den Fachdienst Bergung durch ihre vielseitigen Anbaugeräte deutlich flexibler. Neben der Schaufel mit einem Fassungsvermögen von 1,8 Kubikmetern können an dem Radlader auch ein Baggerarm, Hydraulikhammer, Palettengabel oder verschiedene Spezialschaufeln angebracht werden.

In den 1980er Jahren kamen verstärkt neue Fahrzeuge in die einzelnen Fachdienste des erweiterten Katastrophenschutzes und damit über die Trägerschaft der Einheiten auch in die Ortsverbände des THW. Die Fahrzeuge der Fernmeldezüge wurden größtenteils ersetzt. Für die ABC-Züge kamen sogenannte Dekontaminations-Mehrzweck-Fahrzeuge (DMF) und vielfach auch ABC-Erkundungskraftwagen. Die Instandsetzungszüge bekamen nach und nach neue LKW-Kipper und Truppenfahrzeuge. Für die Bergungszüge zogen sich die Beschaffungen jedoch und nur wenige erhielten neue Gerätekraftwagen und Mannschaftskraftwagen. Der Tausch der ersten Fahrzeuggeneration, die in der Regel noch aus den 60er Jahren stammten, zog sich bis in die 90er Jahre.

Erstmals wurden in den 80er Jahren auch in größeren Zahlen Neufahrzeuge für organisationseigene Zwecke des THW geliefert. Neben Mannschaftstransportwagen (damals OV-Kombi genannt), VW T3 oder Ford Transit, waren das unter anderem LKW-Kipper und LKW mit Pritschenaufbau. Diese fanden unter anderem in Brückenbauzügen und Pontongruppen Verwendung. Große Investitionen gab es auch im Bereich der Kranfahrzeuge: Zwischen 1983 bis 1984 kamen vier Mobilkrane hinzu, 1989 folgten weitere Krane.
Großbrand in Herborn

1987 ereignete sich in Herborn ein tragischer Unfall, der sich zu einem Großbrand ausdehnte. Aufgrund von Bremsversagen rollte ein LKW am 7. Juli 1987 gegen 21 Uhr mit hoher Geschwindigkeit die abschüssige Hauptstraße in die Herborner Innenstadt herunter. An einer Kreuzung stürzte der Sattelzug um und rutsche in mehrere Gebäude. Über 30.000 Liter Benzin und Diesel liefen aus dem Tankauflieger aus und entzündeten sich teilweise. Es kam in kurzer Folge zu mehreren Explosionen. Flammen schlugen teils bis zu 40 Meter hoch. Schon kurz nach Eintreffen der ersten Feuerwehreinheiten wurde der Katastrophenalarm ausgelöst. Neben weiteren örtlichen Feuerwehren wurden Hilfsorganisationen, die Berufsfeuerwehr Frankfurt und das THW alarmiert. Rund 500 Einsatzkräfte waren im Laufe der Nacht vor Ort tätig. Ein Gebäude stürzte infolge der Explosionen ein, weitere sieben Gebäude wurden durch Explosionen, wie auch durch Brände und massive Hitzeeinwirkung schwer beschädigt. Am Folgetag unterstütze das THW bei der Beseitigung des Lastzuges und der Beräumung von Trümmern sowie der Sicherung von Gebäuden. Unter anderem wurde auch eine Rettungshundeeinheit angefordert, um bei der Suche nach Verschütteten zu unterstützen. Das Unglück forderte sechs Tote und 38 teils schwerstverletzte Mensch. Der gesamte Einsatz zog sich über rund sechs Tage.
Einsatz im Dschungel

Am 6. März 1987 ereigneten sich über den Zeitraum von sechs Stunden mehrere starke Erdbeben im Nordosten von Ecuador. Am 12. April 1987 wurden auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes 25 THW-Helfende und 15 Tonnen Material nach Lumhagues in Ecuador geschickt, um beim Wiederaufbau der Infrastruktur zu unterstützen. Die Helfenden errichteten eine 200 Meter lange Seilbahn über einen Fluss und eine Hängebrücke über eine 30 Meter breite und 100 Meter tiefe Schlucht. So wurde die Versorgung der vom Erdbeben betroffenen Einwohner sichergestellt.
THW-Einsatz in Ecuador
Video der THW-Historischen Sammlung des THW-Einsatzes in Ecuador.
THW-Einsatz in Ecuador
THW-Einsatz in der Sowjetunion

Der 7. Dezember 1988 markierte ein weiteres internationales Kapitel: Nach einem verheerenden Erdbeben in der damaligen sowjetischen Teilrepublik Armenien wurde das THW überraschend in der Sowjetunion eingesetzt. Das Beben kostete mindestens 25.000 Menschen das Leben. Über 500.000 Menschen wurden durch die enorme Zerstörung der Städte Leninakan (heute Gymuri) und Spitak obdachlos. Innerhalb von vier Stunden nach dem internationalen Hilfeersuchen der sowjetischen Regierung am 9. Dezember 1988 waren 65 Kräfte der zwei Jahre zuvor gegründeten SEEBA bereit und flogen mit 12 Tonnen Gepäck von Frankfurt aus in die armenische Hautstadt Yerevan. Bei Temperaturen von -20 Grad Celsius suchten die Einsatzkräfte zusammen mit Einheimischen nach Überlebenden unter den Trümmern.
Weitere Infos?
Hinweis
Noch mehr Informationen zum THW-Einsatz in Armenien gibt es auf der Seite der Historischen Sammlung.
http://www.thwhs.de/2019/01/vor-30-jahre-erdbeben-in-armenien/
Am 13. Dezember kamen weitere 76 Helfende mit sechs schweren Bergungsräumgeräten nach. Diese Mehrzweckbagger und Radlader blieben als Geschenk der damaligen Bundesrepublik Deutschland in Armenien und wurden nach der Abreise des THW von den einheimischen Kräften für weitere Räumungsarbeiten verwendet. Durch den insgesamt 37 Tage andauernden Einsatz leistete das THW nicht nur wertvolle Hilfe, sondern trug auch zur Verbesserung der politischen Beziehungen bei. Bei einem Besuch in Bonn dankte Michail Gorbatschow persönlich THW-Direktor Gerd Jürgen Henkel für die herausragende Einsatzleistung und bekundete sein Interesse am Hilfeleistungssystem des THW.
Eine neue Rechtsgrundlage
THW-Direktoren in den 1980ern
Information
Von 1977 bis 1985 war Hermann Ahrens der Direktor des THW, es folgte 1985 bis 1986 Helmut Meier. Auf Meier folgte Gerd Jürgen Henkel von 1986 bis 2002, der mit 16 Jahren die bisher längste Amtszeit als THW Direktor innehatte.
Die rechtliche Grundlage für das THW bildeten bis Ende der 1980er Jahre der Errichtungserlass des Bundesinnenministers von 1953 und das Helferstatut von 1973. Allerdings hatten mehrere Gerichte erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität dieser Regelungen. Am 15. November 1989 wurde deshalb eine Neuregelung im Bundestag verabschiedet, die eine neue rechtliche Grundlage für das THW schaffte: Das THW-Helferrechtsgesetz (heute THW-Gesetz). Grundlegend regelt das THW-Gesetz bis heute den Auftrag des THW, das Rechtsverhältnis der ehrenamtlichen Helfenden und die Kosten für Einsätze. Bis heute ist das THW-Gesetz wirksam, die letzte Änderung trat April 2021 in Kraft.
Das THW entwickelt sich weiter
Ende der 1980er Jahren stieg die Zahl der Ortsverbände im THW auf 617. Die rund 60.000 Helfenden, die es Stand September 1989 im THW gab, zeigten in den 80er Jahren nicht nur national, sondern vor allem international, wie Fachexpertise und schnelle Hilfe Leben retten können. Verbesserte technische Ausstattung und eine neue Rechtsgrundlage prägten das Jahrzehnt für das THW.
Das THW in den 1980er Jahren
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