1990 bis 1999: Mauerfall und Hochwasser-Einsätze

Bundesweit, 23.05.2025

Die 1990er Jahre des Technischen Hilfswerks (THW) waren insbesondere durch den Mauerfall geprägt: Neue Ortsverbände in den neuen Bundesländern kamen hinzu und das THW passte seine Struktur an, um nun bundesweit aufgestellt zu sein. Hinzu kamen weitere Einsätze im In- und Ausland, die das Know-how der Ehrenamtlichen erforderten.

Zwei blaue THW-Fahrzeuge stehen auf einem Weg, eins der Fahrzeuge hat einen Kranaufsatz und hebt ein Stück Betonwand. Rechts im Bild steht eine teils auseinandergebaute Mauer. Um die Mauer und die Fahrzeuge stehen verteilt THW-Kräfte.
Zwei blaue THW-Fahrzeuge stehen auf einem Weg, eins der Fahrzeuge hat einen Kranaufsatz und hebt ein Stück Betonwand. Rechts im Bild steht eine teils auseinandergebaute Mauer. Um die Mauer und die Fahrzeuge stehen verteilt THW-Kräfte.
Das THW 1990 in Berlin nach dem Mauerfall. Quelle: THW

Als am Abend des 9. November 1989 die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland fiel, brachte das für ganz Deutschland einiges an Veränderung. Doch neben der Auflösung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Einführung der staatlichen Einheit Deutschlands stand auch das THW vor der Frage, wie und ob das ehrenamtliche Engagement in Form von Ortsverbänden samt der Struktur der Regionalstellen und Landesverbände nun flächendeckend ausgebreitet werden sollte. Da das THW bisher nur in Westdeutschland aktiv war, war es in Ostdeutschland bis dato weitestgehend unbekannt.

THW beim Mauerfall

Der erste THW-Ortsverband, der nach der Wiedervereinigung Deutschlands in den neuen Bundesländern gegründet wurde, war der Ortsverband Halberstadt mit dem Gründungsdatum 29. Juni 1991.

Die Bekanntheit des THW in den neuen Bundesländern änderte sich aber mit dem Mauerfall, denn hier trat das THW ebenfalls in Erscheinung. Beim Brückenschlag in Eckertal zerschnitten die THW-Ehrenamtlichen den innerdeutschen Sperrzaun. Zudem setzten sie zunächst Stege und Behelfsbrücken für den Straßenverkehr. Später stellten sie eine Krupp D-Brücke auf, die für noch größere Lasten und Nutzung ausgelegt war.

Aber nicht nur für den Brückenbau und die Wiederherstellung von Infrastruktur wurde das THW eingesetzt, insbesondere in den Jahren vor dem Mauerfall halfen die Ehrenamtlichen auch bei der Unterbringung der geflüchteten DDR-Bürgerinnen und Bürger im Westen.

Erste Ortsverbände im Osten Deutschlands

Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von drei Männern, vor der linken Person steht ein Mikrofon, der Mann in der Mitte hält ein großes Dokument, das er vorliest.
Ein feierlicher Moment für das THW: 1991 wurden die ersten Ortsverbände in den neuen Bundesländern gegründet, einer der ersten war dabei der Ortsverband Erfurt. Quelle: THW

Knapp zwei Jahre nach dem Mauerfall wurden Ende Juni 1991 in Halberstadt und kurz darauf in Erfurt THW-Ortsverbände gegründet. Bereits zum Ende des Jahres gab es insgesamt 20 Ortsverbände in den neuen Bundesländern. In den folgenden Jahren entstanden hier immer mehr Ortsverbände, sodass die Zahl rasch zunahm und es Ende 1996 schon 75 neugegründete THW-Ortsverbände gab. Heute gibt es in den neuen Bundesländern insgesamt 101 Ortsverbände.

Bayern übernahm die Patenschaft für Sachsen, Hessen übernahm die Patenschaft für Thüringen, Niedersachsen übernahm die Patenschaft für Sachsen-Anhalt, Berlin übernahm die Patenschaft für Brandenburg, Schleswig-Holstein übernahm die Patenschaft für Mecklenburg-Vorpommern.

Durch die bundesweite Ausbreitung des THW, den knappen Haushaltsmitteln und der generellen Umstrukturierung des Zivil- und Katastrophenschutzes in Deutschland musste auch ein neues Konzept für das THW her. Nach dem Mauerfall begann das THW Anfang der 1990er Jahre mit der Planung für Einsätze im damals noch sogenannten "Beitrittsgebiet". Dabei wurde sich an Einsatzplänen für das europäische Ausland orientiert, da nach Auflösung der DDR-Zivilverteidigung und überregionaler Katastrophenschutz-Strukturen keine adäquaten Stellen oder überregionale Hilfsorganisationen mehr zur Verfügung standen.

Im THW wurden für die neuen Bundesländer Patenschaften mit bereits bestehenden Landesverbänden geschafften.

Ein Jahrzehnt der Weiterentwicklung und Ausbildung

Der MEA, auch bekannt als Multifunktionaler Einsatzanzug, wurde im Jahr 1996 eingeführt. Der MEA löste den grauen Einsatzanzug, der seinen Ursprung in den 60er Jahren hatte, ab und symbolisierte einen Schritt der Modernisierung des THW.

Das THW breitete sein Netz nicht nur flächendeckend im wiedervereinten Deutschland aus, sondern es entwickelte sich auch zeitgleich die Struktur weiter, was auch Folgen für die Ausbildung hatte. Basierend auf der Verabschiedung des Helferrechtsgesetzes (heute THW-Gesetz) Anfang 1990, wurde zum Jahreswechsel 1992/93 das THW vom damaligen Bundesamt für Zivilschutz (BZS) getrennt und zu einer dem Bundesinnenministerium (BMI) direkt unterstellten selbstständigen Bundesbehörde erhoben. Daraus ergab sich, dass auch die THW-Bundesschule in Hoya aus der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (ehemals Katastrophenschutz-Schule des Bundes (KSB)) herausgelöst und neu organisiert wurde. Im Juli 1995 kam zudem noch mit dem Ausbildungszentrum Neuhausen ein Ausbildungsstandort in Baden-Württemberg hinzu.

Neukonzept THW-2001

Anfang der 90er Jahre wurde es Zeit das bisherige THW-Konzept, das noch auf dem Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes von 1968 basierte, zu prüfen. Resultierend aus der veränderten sicherheitspolitischen Situation Deutschlands seit 1989, veränderter Anforderungen an das THW bei Katastrophen- und Schadenslagen, veränderter Gefahrenlage, Haushaltsmittelknappheit und Sparvorgaben im öffentlichen Bereich und aufgrund des neuen THW-Helferrechtsgesetz wurden entsprechende Anpassungen geprüft. Die bisherige Struktur der Ortsverbände, der Einheiten sowie Fahrzeuge und Fachdienstausstattung genügten den Anforderungen der Zukunft nicht mehr.

Erarbeitet wurde das Konzept unter den Namen "THW 2000" beziehungsweise "THW 2001" in den Jahren 1991 bis 94 vor allem durch zwei Arbeitsgruppen aus ehren- und hauptamtlichen THW-Angehörigen. Diese hatten die Herausforderung politische und finanzielle Vorgaben sowie taktische und technische Anforderungen des THW gegeneinander abzuwägen. Das fertiggestellte Konzept konnte Bundesinnenminister Manfred Kanther Ende 1994 zur Entscheidung vorgelegt werden. Dieser wünschte die Umsetzung zum 1. Januar 1995. 

Mit dem Neukonzept wurde eine Spezialisierung des THW angestrebt. Zudem sollte dessen Einbindung in kommunale Strukturen gestärkt werden, die Organisation und Führung des THW sollte an quantitativ und qualitativ gestiegene Ansprüche im In- und Ausland angepasst sowie die unabhängige Einsatzfähigkeit des THW mit eigenen Komponenten für Führung, Kommunikation und Logistik gesichert werden.

Aktualisierung der Ortsverbände

In jedem Ortsverband wurde mindestens ein Technischer Zug gebildet, der in aller Regel aus Zugtrupp, zwei Bergungsgruppe und einer Fachgruppe bestand. Die bis dahin bekannten Bergungszüge, Instandsetzungszüge und Fernmeldezüge wurden aufgelöst und in die neuen Technischen Züge überführt. Andere Einheiten des Katstrophenschutzes, die das THW bis zu diesem Zeitpunkt gestellt hatte, wie zum Beispiel ABC-Züge, wurden ersatzlos aufgelöst.

Anpassung der Standortanzahl

Die Anzahl der Ortsverbände wurde durch Auflösung oder Zusammenlegung auf 665 im gesamten Bundesgebiet festgelegt. Im hauptamtlichen Bereich wurden 1996 aus den bisherigen elf Landesverbänden in den „alten“ Bundesländern acht Landes- bzw. Länderverbände beschlossen, die sich teils über mehrere Bundesländer erstreckten. Die Gesamtanzahl der Geschäftsstellen (heute Regionalstellen) wurde auf 66 annähernd halbiert.

Technische Weiterentwicklung trotz knapper Kassen

Viele blaue LKW des THW stehen aufgereiht auf einem Parkplatz.
Die neuen GKW 1: Hier im Jahr 1997 in Baden-Württemberg. Quelle: THW

Trotz der knappen Haushaltsmittel gab es in den 90er Jahren auch Neuentwicklungen im Fahrzeugsektor: GKW 1, GKW 2 und aus dem OV-Kombi wurde der MTW-TZ.

Die Konzepte für den GKW 1 und den GKW 2 waren eine völlige Abkehr von den bisherigen Gerätekraftwagen 72 und Mannschaftskraftwagen 72 aus Zeiten des erweiterten Katastrophenschutzes. Die neuen Fahrzeuge waren größer, die Geräteräume ergonomischer aufgeteilt und insgesamt ähnelten die Fahrzeuge dem technischen Stand von Feuerwehrfahrzeugen. Das Konzept für den GKW wird, angepasst an den jeweiligen Stand der Technik, bis heute in dieser Form verfolgt. Vom GKW 2 beschaffte man nur eine kleine Serie zur Erprobung. Da sich diese nicht bewährte, wurde Ende der 90er/Anfang der 2000er Jahre auf das Konzept des Mehrzweckkraftwagen umgeschwenkt.

Bei den Mannschaftskraftwagen handelte es sich bis in die 90er Jahre um handelsübliche Kombinations-Kfz (überwiegend VW Busse und Ford Transit), die mit geringen Modifikationen für das THW angepasst wurden. Ab Mitte der 90er Jahre wurde der Kombi mit verschiedenen Konzepten hin zu einem Führungsfahrzeug mit Arbeitstisch und geänderter Sitzanordnung entwickelt.

Doch die nach dem THW-Neukonzept vorgesehene Ausstattung und Fahrzeuge waren nur bedingt und nicht in absehbarer Zeit mit dem Vorhandenen darstellbar. Vielfach wurden Überganslösungen erarbeitet, so wurden beispielsweise Fahrzeuge der Bundeswehr oder der Nationalen Volksarmee der DDR übernommen und den THW-Bedarfen entsprechend umgebaut.

Ein Jahrzehnt voller Jahrhunderthochwasser

Die 1990er hielten mehrere Hochwasser-Einsätze für die ehrenamtlichen Kräfte des THW bereit. Eine Auswahl der Jahrhunderthochwasser:

Weihnachts-Hochwasser 1993

Zum Jahreswechsel 1993 zu 1994 gab es einen der bis dato größten Hochwasser-Einsätze für das THW in diesem Ausmaß. So unterstützten aus bundesweit 160 THW-Ortsverbänden über 20.000 Einsatzkräfte beim Rheinhochwasser, um die Schäden des "Jahrhunderthochwassers" oder auch "Weihnachts-Hochwasser 1993" zu beseitigen und den Menschen vor Ort zu helfen. Durch das Hochwasser des Mittelrheins und Niederrheins sowie weiterer Nebenflüsse war das Einsatzgebiet groß und an vielen Stellen musste geholfen und Menschen aus ihren Wohnungen gerettet werden. Neben Evakuierungs- und Pumparbeiten fielen für die Helfenden aber auch nach dem Rückgang der Wassermassen Aufgaben an: So galt es die Sandsackdämme abzubauen und die durch das Hochwasser entstandenen Gefahrenquellen zu entschärfen. Daneben wurde auch Treibgut und Schutt mit Bergungsräumgeräten beseitigt und Keller ausgepumpt. In einigen Orten unterstützte das THW teils auch die Wiederinbetriebnahme der Versorgungsanlagen.

Rheinhochwasser 1995

Ein blaues Fahrzeug fährt auf einer überfluteten Straße.
Das THW im Rheinhochwasser-Einsatz 1995. Quelle: THW

Schon im Jahr 1995 ging es im Frühjahr weiter, denn auch hier sorgte ein Hochwasser am Rhein wieder dafür, dass Deiche, Häuser und Straßen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gesichert werden mussten. Mehr als 100 THW-Ortsverbände kamen mit rund 200 Booten und 400 Kraftfahrzeugen, um beim Einsatz anzupacken.

Oderhochwasser 1997

Im Jahr 1997 ereignete sich das nächste Jahrhunderthochwasser: Im Sommer 1997 gab es die bisher größte bekannte Flut der Oder. Die Überschwemmungen an den Flussläufen der Oder verursachten im Juli und August 1997 schwere Schäden in Tschechien, Polen und Deutschland. In Deutschland arbeitete das THW gemeinsam mit der Bundeswehr, dem Bundesgrenzschutz, der DLRG, dem DRK, der JUH, dem ASB und der Feuerwehr zusammen, um das Ausmaß der Katstrophe einzudämmen. Rund 7.300 ehrenamtliche Einsatzkräfte des THW waren über zwei Monate in Deutschland, Polen und Tschechien damit beschäftigt, die Gefahr der Fluten einzudämmen. Zum ersten Mal arbeiteten Organisationen und Helfende aus ganz Deutschland übergreifend zusammen und zeigten, dass Ost- und Westdeutschland zusammengewachsen waren, weshalb in dem Kontext auch oft von der "Einheitsflut" gesprochen wurde. Auch Bundeskanzler Helmut Kohl erklärte die Oderflut zur nationalen Aufgabe bei seinem Besuch vor Ort.

Weitere Hochwasser 1998

Im Jahr 1998 sorgten mehrere Hochwasser dafür, dass die Expertise des THW gefordert wurde. Im November 1998 rückten rund 900 THW-Kräfte aus insgesamt 20 Ortsverbänden aus, um sieben Tage beim Rheinhochwasser im nordrhein-westfälischen Niederkassel zu helfen. Daneben gab es auch Einsätze in Bayern. Durch Hochwasser war in der Gegend um Kirchzell die Trinkwasserversorgung gefährdet. Helferinnen und Helfer des THW bereiteten tagelang Trinkwasser für die Bevölkerung auf.

Pfingsthochwasser 1999

Nur ein Jahr später, noch vor dem Wechsel ins nächste Jahrtausend, hielt das Jahr 1999 ein weiteres Jahrhunderthochwasser in Form des "Pfingsthochwassers 1999" in Baden-Württemberg, Bayern, Vorarlberg, Tirol und der Schweiz bereit. Mehrere THW-Ortsverbände arbeiteten gemeinsam mit den Feuerwehren daran, die Wassermassen einzudämmen und die Folgen zu beheben.

Weitere Inlandseinsätze

Abseits der Hochwasserbekämpfung und der Eingrenzung der Folgen gab es in den 1990er Jahren weitere vielfältige Einsätze für das THW. Zwei Beispiele dafür sind der Einsatz in Düsseldorf und das ICE-Unglück in Eschede.

Düsseldorf 1997

Zum Jahreswechsel 1999 auf 2000 befürchteten Wissenschaftler:innen und Informatiker:innen gravierende Schwierigkeiten vor allem im IT-Bereich. Befürchtet wurden Fehler in Banksystemen, Börsen, Krankenhäusern und Verteidigungssystemen. In dystopischsten Vorstellungen waren sogar Fehlauslösungen von Raketen und folgend die (nukleare) Vernichtung der Welt im Gespräch. So saßen zur Silvesternacht auf Anordnung in etlichen Unterkünften Einsatzkräfte des THW in Bereitschaft, um sofort Hilfe leisten zu können, sollte das Chaos ausbrechen. Wie wir heute wissen, passierte gar nichts.

In den frühen Morgenstunden des 24. Juli 1997 riss eine Explosion die Anwohner der Düsseldorfer Krahestraße aus dem Schlaf. Das Mehrfamilienhaus mit der Hausnummer 8 war explodiert. An seiner Stelle war nun ein riesiger Trümmerkegel. Wie sich später herausstellen sollte, wurde die Gasversorgung manipuliert.

Zunächst lag das Augenmerk auf der Ortung und der Rettung Verschütteter. Einer der ersten großen Inlandseinsätze für die mit dem THW-Neukonzept ab 1995 aufgestellten Fachgruppen Ortung.

Das Abstützsystem Holz kann in zwei verschiedenen Varianten eingesetzt werden. Mit den Bauteilen lassen sich Stützböcke und Sprengwerke erzeugen. Ein Stützbock ist eine dreieckige Struktur, die bis zu fünfzehn Meter in die Höhe gebaut werden kann. Damit kann eine einzelne Wand gesichert werden. Die zweite Variante, das Sprengwerk was im Einsatz 1997 in Düsseldorf zum Einsatz kam, wird immer dann eingesetzt, wenn zwei Wände gegeneinander abgestützt werden müssen.

Relativ schnell wurde klar, dass die Substanz der angrenzenden Gebäude durch die Explosion derart in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass diese gesichert werden mussten. Hierfür war eine spezielle Ausstattung gefordert: Der THW-Ortsverband Hückelhoven hatte seit 1996 ein modulares Abstützsystem aus Holz entwickelt, das klassische THW-Abstütztechnik aufgriff und mit dessen Komponenten die Sicherung von Gebäuden bis rund 15 Meter Höhe möglich wurde. Zudem konnten damit wirksame Sprengwerke mit großer Reichweite binnen verhältnismäßig kurzer Zeit erstellt werden. Im rückwärtigen Bereich des eingestürzten Gebäudes wurden Sprengwerke des in Hückelhoven entwickelten Systems zur Sicherung der beiden Nachbargebäude eingesetzt. Auch Stützböcke kamen zum Einsatz.

Nach den positiven Erfahrungen mit dem nach seinem Erfinder THW-Zugführer Frank Blockhaus "FRABLO" genannten System wurden in den folgenden Jahren weitere Ortsverbände mit dem System ausgestattet. Mit der heutigen Bezeichnung "Abstützsystem Holz (ASH)" hat es seinen Weg in die Stärke- und Ausrüstungsnachweisung der Bergungsgruppen des THW genommen.

ICE-Unglück Eschede 1998

Einer der belastendsten Einsätze in der Geschichte des THW ereignete sich im Juni 1998 als auf der Bahnstrecke zwischen Hannover und Hamburg am Streckenkilometer 61 in der Gemeinde Eschede ein ICE entgleiste. Tagelang waren insgesamt 713 Helferinnen und Helfer aus 32 Ortsverbänden im Einsatz. Das Aufgabenspektrum reichte von Ausleuchtung und Beräumung der Bahnstrecke bis hin zur Bergung verstorbener Unfallopfer.

Erkenntnisse des Einsatzes tugen auch zur Gründung der Einsatznachsorgeteams im THW bei.

Auslandseinsätze der 90er

An dem Gelände eines Sees ist ein Camp aus verschieden Zelten und Fahrzeugen aufgebaut.
Die Trinkwasser-Expert:innen des THW bereiteten sauberes Trinkwasser fachgerecht auf und verteilten dies an die Flüchtlinge und Bewohnerinnen und Bewohner Gomas. Quelle: THW

Mitte der 1990er Jahre führte der Völkermord in Ruanda dazu, dass Millionen von Menschen flüchteten. Die Masse der Flüchtlinge ließ sich rund um die zairische Hafenstadt Goma nieder und innerhalb weniger Wochen stieg die Bevölkerungszahl von 100.000 auf über eine Million an. Doch die Trinkwasserversorgung war eins der größten Probleme, die der UNHCR, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, lösen musste. Auf Anforderung des BMI und auf Ersuchen des Auswärtigen Amtes halfen die Expertinnen und Experten des THW bei der Trinkwasserversorgung. Per Frachtmaschine wurden Fahrzeuge, Trinkwasseraufbereitungsanlagen, Schläuche, Chemikalien für die Wasseraufbereitung und die Analyse, Wasserblasen, Zelte, Feldbetten, Pumpen und alles benötigte Equipment nach Afrika transportiert. Auch die jeweils 70 Helfenden aus der THW-Leitung in Bonn und dem Landesverband Baden-Württemberg machten sich mit Chartermaschinen auf den Weg nach Goma.

Von Juli 1994 bis April 1995 waren insgesamt 600 Helferinnen und Helfer des THW aus der gesamten Bundesrepublik vor Ort im Einsatz. Sie bereiteten sauberes Trinkwasser fachgerecht auf und verteilten dies an die Flüchtlinge und Bewohnerinnen und Bewohner Gomas.

Gleich mehrfach wurde die Hilfe des THW in den 90er Jahren in der Türkei benötigt :

Im März 1992 zerstörte ein Erdbeben Teile der Stadt Erzincan. Am 16. März machten sich 60 Einsatzkräfte der SEEBA und sieben Rettungshundeführerende der Feuerwehr Rheinland-Pfalz sowie zwei Mediziner der JUH auf den Weg in die Türkei. Der SEEBA-Einsatz dauerte bis zum 20. März an. Überlebende der Katastrophe konnten nicht geortet werden. Im Nachgang zum Erdbebeneinsatz unterstützte das THW die Stadt Erzincan noch mehrere Wochen bei der Suche nach Schäden im Trinkwassernetz und bei der Trinkwasseraufbereitung.

Nur wenige Jahre später ereignete sich am Abend des 1. Oktober 1995 das nächste Erdbeben um die türkische Stadt Dinar. Rund 4.000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört. Bereits am Folgetag wurde das THW durch das Auswärtige Amt beauftragt die SEEBA ins Erdbebengebiet zu entsenden. Sieben Ortungs-Spezialistinnen und Spezialisten unterstützten fünf Tage lang die türkischen Hilfsorganisationen bei der Suche nach Verschütteten.

Im August 1999 bebte die Erde erneut, dieses Mal mit der Stärke 7,8, in der westlichen Türkei. Das THW entsendete 24 Helferinnen und Helfer der SEEBA, darunter drei Rettungshundeführende und 15 Bergungshelfende, um bei der Suche nach verschütteten Menschen zu helfen.

Das Jahrzehnt endete mit einem weiteren Auslandseinsatz. Ende Dezember 1999 führte Sturm "Lothar" in Teilen Frankreichs zu massiven Schäden an Infrastruktur und Stromversorgung. Einsatzkräfte des THW wurden kurz vor dem Jahreswechsel nach Bordeaux und Limoges entsendet, um bei der Notstromversorgung und der Wiederherstellung der Stromversorgung zu unterstützen.

Ein Jahrzehnt der Auslandsprojekte

Ab 1993 entwickelten sich langlaufende Projekte im ehemaligen Jugoslawien, um die Bevölkerung bei der Beseitigung der Bürgerkriegsschäden zu unterstützen. Zunächst wurden Unterstützungsmöglichkeiten in Kroatien erkundet und ein Wiederaufbau-Projekt in Bosnien-Herzegowina eingerichtet. Die Expertinnen und Experten des THW unterstützten dort bis ins Jahr 2009 die einheimische Bevölkerung. Das THW setzte die Trinkwasserversorgung instand und half beim Wiederaufbau von Schulen und Infrastruktur. Ab 1994 standen die Tätigkeiten unter dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe". Es wurden sogenannte Bauhöfe unter anderem in Blizanci und Duhana aufgebaut. Unterstützt durch lokale Kräfte konnte die Bevölkerung dort Baumaterial beziehen und erhielt Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer Wohngebäude. Etliche Maßnahmen wurden im Bereich Mostar durchgeführt. Ein vergleichbares Projekt wurde ab 1998 bis 2006 auch im Kosovo etabliert.

Ein Jahrzehnt voller Einsätze, Wandel und Erweiterung

Weitere Informationen zur THW-Historie finden Sie auf der Seite der THW-Historischen Sammlung.

Die 1990er Jahre zeigten einmal mehr die Wandelbarkeit des THW. Kaum war Deutschland wiedervereint, spannte das THW sein Netz flächendeckend über ganz Deutschland mit den neuen Ortsverbänden und den umstrukturierten Landesverbänden. Zahlreiche und vielfältige Inlands- und Auslands-Einsätze forderten die vereinten Kräfte aller Ehrenamtlichen und verdeutlichten, wie wichtig die Expertise des THW und vor allem die Zusammenarbeit der Organisationen für den Zivilschutz ist.

Bilder der 1990er Jahre des THW

Hinweis

Alle vom THW zur Verfügung gestellten Bilder sind honorarfrei und dürfen unter Angabe der Quelle "THW" für Berichterstattung über das THW und das Thema Bevölkerungsschutz verwendet werden. Alle Rechte am Bild liegen beim THW. Anders gekennzeichnete Bilder fallen nicht unter diese Regelung.